Büchsenmacher, Gewehrhandlungen und andere Waffenfabrikationen 1603-1867

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts werden in Zella Gewehrhandlungen betrieben. 1603 wurde die Innung der Rohrschmiede, 1629 der Schlösser und Büchsenmacher bestätigt. (Dr. August Beck, Gesch. d. Gothaischen Landes 1876).
Zum Anfang des 18 Jahrhundert gelang der Gewehrhandel ins Stocken, was nicht minder an der Entlohnung und an den besseren Arbeitsangeboten anderswo gelegen hatte. Im Jahre 1734 empfiehlt der Amtmann Kundel einen höheren Arbeiterlohn wie in Suhl zu geben und den Arbeitern zu verbieten in Fabriken außerhalb von Zella zu wechseln. Der zurückgegangene Umsatz in den Fabriken in Zella und Mehlis ist auf die Konkurrenzfabriken wie Suhl, Schmalkalden, Potsdam und Blankenburg zurückzuführen. Auch hat man in Suhl den Vorteil das Holz billiger beziehen zu können. Der große Brand 1762 hatte ebenso einen Anteil daran, dass in Folge etliche Büchsenmacher abgewandert sind.

Seit etwa 1742 wandern wieder Arbeiter von Gewehrfabrikationen aus Zella und Mehlis ab, was hier am Beispiel nach Potsdam geschildert werden soll. Im September 1746 wandte sich Herzog Friedrich zu Sachsen an Friedrich den Großen mit dem Ersuchen das denen Fabrikanten in Potsdam die weitere Abwerbung der Arbeitsleute untersagt werde. Es handelte sich zunächst um einen Schäffter und einen Schlossmacher aus Zella St. Blasii. Trotzdem wurde nicht damit aufgehört und es sind noch mal 16 Meister und Gesellen aus Zella und Mehlis dort hingegangen. Abermals 4 Meister mit deren Gesellen hatten das gleiche Vorhaben, bis das der Herzog von Sachsen Gotha ein Verbot erließ, weshalb die Fabrikanten nicht aus den Lande zu gehen hatten.
Unterdessen sind die hinterbliebenen Familien der woanders Beschäftigten in Sorge gewesen das sie zu den Abgewanderten Familienmitgliedern und die noch abwandern wollen, nicht reisen dürfen, weshalb diese sich mit einem Schreiben an den Herzog wandten. Der Herzog ist nur daran interessiert gewesen die bisher gute Gewehrfabrikation im eigenen Lande zu erhalten. Doch hatte er das Ersuchen berücksichtigt und denen die im fremden Lande arbeiten eine Frist gegeben, solange sie in der Gewehrfabrik in Potsdam arbeiten durften.
Friedrich der Große hingegen wollte die Abwanderung der vorher Eingewanderten aus seinem Gebiet verhindern und sogar weitere Zuwanderungen fördern. Er gab sich Mühe die Leute aus Zella, Mehlis wie auch aus Suhl anzulocken. So bezahlte der König den Arbeitern und deren Familien das Reisegeld, was aus einem Beleg von 1753 hervorgeht. Auch war der höhere Lohn nicht zu verachten. Erst als das Herzogtum in den Zollverein aufgenommen wurde traten wieder Besserungen ein.

Der Gewehrhandel blühte später wieder sehr auf. In Zella und Mehlis zählen 1842 in jeden Ort 150 Büchsenmachermeister mit 60 Gesellen und beide zusammen mit 30 Schäftermeister. Außerdem wohnen zur Ausstattung der Gewehre in Zella und Mehlis 3 ausgezeichnete Graveure.
Die allgemein geschätzten Feuergewehre wurden unter anderem nach Russland und Dänemark geliefert.  Dr. Karl Herzog erwähnt 1832 in seinem Taschenbuch für Reisende in Thüringen: […] Beinahe sämtliche 1200 Einwohner ernähren sich von der Gewehr- und Eisenwarenfabrik. Die Fabrikanten teilen sich in 3 Zünfte, nämlich in die der Rohrschmiede welche die Rohrhämmer mit dazugehörigen Rohr- und Schleifmühlen besitzen, in die Zunft der Büchsenmacher, zu denen die Schlossmacher, Rohrverschrauber, Bügel-, Kappen, Kleinzeug- und Garniturmacher gehören und in die Zunft der Schäfter. Das zur Verarbeitung nötige Eisen liefern die Eisenhämmer zu Zella und Mehlis. […] der Eisenhammer fertigt jährig in 40 Betriebswochen 1600 Zentner. […] zur Schmelzung und Verarbeitung des Eisens werden jährlich 700 Fuder Kohlen gebraucht welche 1500 Klaster Holz einfordern. […] Die Büchsenmacher von Zella und Mehlis brauchen jährlich 450 Zentner Eisen, die Rohrschmiede 150-160 Zenter. Der Absatz geschieht durch privilegierte Gewehrhandlungen.
1791-1794 sind in Zella 14.138 Flintröhre beschossen worden.

Ehe ein Gewehr fertig ist und benutzt werden kann haben viele Menschen daran gearbeitet. […] Jedes Gewehr geht durch achtundfünfzig Hände […] womit bemerkt werden soll wie viele Menschen an der Produktion beteiligt gewesen sind und ihren Verdienst damit gehabt haben.  Das sind gewesen die Rohrverschrauber, die zweierlei Art Schleifer die für unterschiedliche Tätigkeiten zuständig sind, die Rohrschmiede, die Schlossmacher, die Garniturmacher die entweder Gießer oder Plattenma-cher sind. Garnituraufteiler haben mit der weiteren Ausarbeitung der gegossenen Garnituren zutun. Es kommen noch dazu die Graveure und Stecher, Schmirgler, Ladestockmacher, Bajonets-Schmiede und Schäfter. Zuletzt begutachten die Reparierer jedes einzelne Stück nach Fehlern wonach es noch in die Hände der Beschieß- und Beschaumeister zwecks Testung gelangt. Letztere werden jährlich von den drei Zünften der Rohrschmiede, Schlosser und Schäfter gewählt.

Von 1795-1811 lieferte die Gewehrfabrik 126.624 Flinten, Doppelflinten und Musketen, also durchschnittlich jährlich 7448 Stück, ohne die Pistolen und Stand- und Pürschbüchsen hinzugerechnet. Zwischen Suhl, Zella und Mehlis findet ein lebhafter Verkehr statt. Unter den Gewehrhändlern machen die meisten Geschäfte Ernst, Klett und Söhne, Bartholmäs, Diem, Drechsler, Schneider. Klett und Söhne unterhalten eine sehenswerte Gewehrfabrik. Dann noch dazu ist lediglich ein Fabrikinspektor Hr. Johann Georg Retsch genannt.
1829 im Warenlexikon sind in Zella 100 Büchsenmachermeister genannt, mehrere Kettenschmiede und die beliebten Fi-scherschen Gewehr

1867: In der Fabrikation von Luxuswaffen zeichnet sich Zella und Mehlis aus.  In Zella ist die Gewehrfabrikation vorherrschend während in Mehlis die Eisen- und Stahlindustrie dominiert. Die meisten Gewehrhändler aber wohnen in Mehlis. Und selbst das benachbarte Suhl kann zur Anfertigung seiner Luxuswaffen die Schloss-, Stechschloss, Garniturverfertiger und Graveure in Zella und Mehlis nicht entbehren. Im ganzen Lande sind bis in die Neuzeit Terzerole und Taschenpistolen nur in Lüttich und in Mehlis hergestellt wurden. Bis zu 80.000 Stück konnten in einem guten Geschäftsjahr gefertigt und geliefert werden. In den vergangenen Jahren sind die Revolver sehr begehrt gewesen, was nun aber einen großen Abbruch getan hat. Das lag an der Konkurrenz in Lüttich wo die Fabrikationen selbige billiger anbieten konnten.
Die berühmtesten Firmen in Mehlis sind F. Reuß; G. Schilling, G. Schmalz und in Zella Klett und Söhne, Gebrüder Decker; G. Greßmann; G. Reißmann; L.und B. Barthelmes; R. Anschütz; L. Sauerbrey. Als Büchsenmacher verdienen noch ihr Geld Pistor und Kost.

Das Eisengewerbe verhalf Zella und Mehlis zu einem großen Wachstum seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert.
Gute Voraussetzung für so viele Produkte sind das Erzvorkommen zur Eisengewinnung in den umliegenden Bergwerken, das vorhandene Holz (f. Holzkohle) zum Betreiben der Schmelzöfen und die Wasserkraft zum Antreiben der Schmieden und Maschinen gewesen. Daraus entwickelte sich u.a. die Waffenindustrie wobei neben Suhl die Orte Zella und Mehlis kaum ein anderer Ort im Rang höher gewesen ist.

Walther

Walther Fabrik

Die Walther Firmengeschichte beginnt 1886 mit dem Ausbau einer kleinen Werkstadt auf dem Katzenbuckel, als sich der damals 28jährige Carl Wilhelm Freund Walther selbstständig machte. Das Gebäude wurde 2008 fortgerissen.
In der Goethestraße 4 steht noch heute das ehemalige Verwaltungsgebäude welches nach der Zerstörung der Fabrik durch die russ. Besatzungsmacht verschont geblieben ist.
Das Wohnhaus der Familie Walther grenzte an der Fabrik in der Amtsstraße.





August Theodor Walther
soll in der Historie nicht vergessen werden, der immerhin erstmals mit der Büchsenmacherei in Berührung gekommen ist. Aus der Historie geht hervor das Carl Walthers erstgeborener Sohn Fritz Walther die längste Firmengeschichte geschrieben hat. Die Walther-Werke behielten immer den Namen des Gründers Carl.

August Theodor Walther (Ehefrau Rosalie Pistor) * Zella St. Blasii
- Verschiedene Jobs u.a. bei Andreas Jopp in Mehlis

Carl Wilhelm Freund Walter *22.11.1858 - 9.7.1915 Zella St. Blasii
Ehefrau: Minna Georgine Pickert (Tochter des bekannten Revolver-Herstellers Christian Friedrich Pickert / bekannt unter "Arminius" Produkte)
Söhne:
Fritz August *24.3.1889, Georg Carl *16.3.1890, Wilhelm Alfred *2.7.1891 / im 1. Weltkrieg gefallen; Erich Hans *4.11.1895, Carl Lothar *3.5.1899).

Büchsenmachermeister
Lehre bei Büchsenmacher Willibald Barthelmes Zella-Mehlis
1886 erstmals selbstständig mit 28 Jahren, in einer kleinen Werkstatt auf den Katzenbuckel
1903 Ausbau der ehemals kleinen Werkstatt auf dem Katzenbuckel als Fabrik und Ausstattung mit neuen Maschinen. Die Söhne unterstützen.
Immer weiter stufenweise Erweiterung


Fritz August Walther +1966 (77 Jahre)
Ehefrau Gertrud Schmidt seit 1913
Kinder: Gerhard Carl Emil * 25.6.1913; Anneliese Helene Minna * 9.6.1914; Charlotte Paula Erika *27.3.1916 →geb. alle in Z. St. Blasii; Karl-Heinz *3. 11 1923 in Erfurt
Strenge Lehre bei Vater Carl Walther
nach Abschluss als Werkzeugmacher in Berlin tätig
1908 Rückkehr nach Zella St. Bl. und Unterstützung in der Fabrik
1915 Übernahme der Firmenleitung nach dem Tod des Vaters und Aufnahme der Produktion in dem Gebäude der der heutigen Goethestraße
Während der Zeit im ersten Weltkrieg Waffenproduktion, am Ende des Krieges Personalabbau wegen fehlender Aufträge
Neuproduktion von Fahrradteilen, Getrieben, Steuersätzen und Freiläufen.
1924 Produktion von Rechenmaschinen
1920 Änderung des Schriftzuges wegen Zusammenschluss Zella und Mehlis
Großer Auftrag f. Leuchtpistolen von der Reichswehr und Entwicklung anderer Pistolen z.B. Polizeipis-tole PP unter den Namen „Walter-Pistolen“.
1945: Bis dahin im Walterwerk 2.500 Beschäftigte
3.4.1945 Amerikaner übernehmen die Fabrik und beschlagnahmten alle Unterlagen wie Pläne, Bauzeichnungen, Entwürfe
1945-1947 Demontage des Betriebes durch die Russische Besatzungsmacht (Reparationsleistungen) und Sprengung des Walther-Waffenfabrik
3 Wochen Internierungslager der ganzen Familie Walther, Fritz arbeitete dann in Bissingen-Oblohn, später Firmengründung in Heidenheim, Gerstetten und Ulm
1993 kauft der Gaspistolenbauer Umarex das Unternehmen Carl Walther auf
Später Firma Hämmerli AG in der Schweiz
1950 OHG Zella-Mehlis wird nach Ulm umverlegt

Carl Lothar Walther *3.5.1899
Auf dem wohl damals zum Gesamtfirmengelände gehörigen Katzenbuckel und zum Immobilienbestand der Firma bereits gehörig, gründete 1925 Lothar Walther (*1899) eine eigene Firma.

1933 überreichen die Stadtoberen im thüringischen Zella-Mehlis dem Reichsstatthalter Fritz Sauckel eine PP-Sonderanfertigung (goldenes Eichenlaub am Lauf, Hakenkreuz am Griff)

Die Walther Waffenwerke Zella - Mehlis betrieben im KZ-Lager Buchenwald einen Karabinermontagebetrieb und im KZ Neuengemme eine Waffenfabrik, als Zweigbetrieb der Fabrik Zella-Mehlis.
20.10.1942 Schreiben der „Walther- Waffenfabrik“ an die SS Reichsführung an den Obersturmführer Pfeil in Berlin zur Planung f. die Errichtung einer Fertigungsstelle in Neuengemme bei Hamburg. Vorgesehen war ein Walther Rüstungsbetrieb am KZ Neuengemme wo sich weitere Rüstungsbetriebe ansammelten und worin Häftlinge des Lagers dann nach Fertigstellung 1944 beschäftigt gewesen sind. Hier erfolgte zunächst die Fertigung der „Pistole 38“, dann des autom. „Schnellfeuergewehrs G43“ und später des „Volksgewehrs“ für den Volkssturm. Bis 1.000 Häftlinge sind in der Produktion beschäftigt gewesen.
Über den Mitinhaber Gerhardt Walther (ein Sohn des Carl Walther) schrieb ein Häftling, dass er diesen „als einen menschenfreundlichen und wohlwollenden Vorgesetzten“ kennengelernt hat „der seine Machtstellung weder mir noch meinen Arbeitskameraden gegenüber jemals ausgenutzt hat“.
Ein Postverteiler Harrald Sch. aus Zella-Mehlis dagegen war nach Aussagen eines anderen Häftlings als Gestapoagent angesehen gewesen. Er habe den Häftlingen beispielsweise verboten sich warme Getränke zuzubereiten und ihre Taschen- und Handtücher zu waschen. Zuwiderhandlungen wurden durch ihn be-straft.

Quellen:
Gedenkstätte Neuengemme bei Hamburg
Proschüre KZ Neuengemme u. die Stadt Hamburg (Unterrichtsmaterial); v. J.P. Müller; 2020